Ich treffe Jina Khayyer im Café Croix Rouge in St. Germain und weil wir uns eine lange Zeit nicht gesehen haben, schießen wir gleich los: unsere Liebe für Frankreich, was haben wir gemacht, warum lohnt es sich immer wieder neu anzufangen und natürlich frage ich sie auch nach Teheran, erzähle ihr von meiner geplanten Reise im März nächsten Jahres und was sie davon hält. Ihr Buch „Älter als Jesus oder mein Leben als Frau“ habe ich gerne gelesen und Teile des Buches hätten auch aus meinem Leben sein können, doch das ist wohl klar von Menschen die die gleiche Nationalität haben und an einem anderen Ort leben. Das Buch ist lesenswert aus vielen Gründen, vor allem da es viele Antworten auf Fragen gibt nach denen wir ständig selber suchen.
Wer die Autorin persönlich kennenlernen möchte, kommt heute Abend, am 27. Oktober um 19.00 Uhr in die Buchhandlung LOST WEEKEND in die Schellingstrasse in München. Der Abend wird von Anne Urbauer moderiert.
IRMA: In Deinem Buch „Älter als Jesus“ geht es um Leben und Tod und die Zeit dazwischen, das Älter werden. Als wir uns in Paris getroffen haben, hast Du mir von Deinem Kinderwunsch erzählt. Du erklärtest mir so plausibel warum es sich lohnt ein Kind zu bekommen. Wie schön es ist im Alter von seinem Kind besucht zu werden, all die schönen und schlechten Gedanken eines anderen Ichs mitzuerleben. Aber natürlich ist das die Antwort auf Dein Buch. Wie kamst Du dazu, als erstes Werk ein autobiographisches Buch zu schreiben?
JINA KHAYYER: Das persönliche ist politisch. All die Fragen, die mich bewegen, bewegen auch andere. Bevor ich also anfange über andere zu reflektieren, bleibe ich bei mir. In „Älter als Jesus“ mache ich mich auf den Weg universelle Fragen zu hinterfragen und idealerweise neue Antworten zu finden. Es gibt universelle Fragen, aber es gibt keine universellen Antworten. Autofiktion finde ich für diese Art von Reflexion und Text die richtige Form.
IRMA: Deutsch sein als Perserin, ein Luxus finde ich, hast Du es auch so empfunden, oder gegenteilig?
J.K.: Ein selbst bestimmtes Leben in Freiheit führen zu dürfen, das finde ich Luxus.
IRMA: Woran erkennst Du, dass eine Lebensphase zu Ende geht und eine neue kommt?
J.K.: An meinen Gedanken und an meinen Werten.
IRMA: Das phantasievolle Ausschmücken der Realität ist eine persische Spezialität. Hat das Deine Entscheidung zu schreiben beeinflusst?
J.K.: Schreiben ist für mich schon immer meine wichtigste und liebste Ausdrucksform gewesen. Sowohl die deutsche als auch die persische Sprache sind schöne Schreibsprachen. Die deutsche weil sie so präzise ist, die persische weil sie so bildhaft ist. Aber die persische Sprache habe ich erst mit fünf Jahren gelernt. Ich denke dass die deutsche Sprache meinen Wunsch Geschichten zu erzählen stärker geprägt hat.
IRMA: Schulden, Beziehungsschwund und Arbeitslosigkeit, schlimmer kann es doch nicht kommen. Du hast daraus gelernt und hast es doch hervorragend gemeistert. Ich denke an Dein Sparprogramm, nur 10 Euro am Tag in Paris zum Leben auszugeben. Wie geht man mit Verarmung am besten um und wie bekommt man das wieder in den Griff?
J.K.: Wie ich bereits sagte, es gibt universelle Fragen, aber es gibt keine universellen Antworten. Was ich gelernt habe: Das Leben ist erst dann zu Ende, wenn das Herz nicht mehr schlägt. So lange es schlägt ist alles möglich.
IRMA: Frauen zu lieben ist ein sehr sensibles Thema, wann wurde aus Bewunderung eine Beziehung? In Deinem Buch beschreibst Du wunderbar immer den richtigen Moment bei Hannah sowie auch bei Deiner Hong Kong Erbin.
J.K.: Ich finde das kein sensibles Thema. Jedenfalls hoffe ich, dass ich in einer Gesellschaft lebe, in der jede Form der Liebe gleichwertig behandelt wird. Die Frage, die sich mir stellt, ist nie, wann wird aus Bewunderung eine Beziehung. Denn jede Freundschaft ist auch eine Beziehung. Sondern: Warum kann man Freunde teilen und den Partner nicht?
IRMA: Wie überlebt man in der oftmals leeren Modewelt, wenn man selber morgens nicht weiß wie der Tag enden wird und findet wieder auf die Beine nach einer Krise?
J.K.: So wie in jeder anderen Welt auch, durch Liebe.
IRMA: Die Liebe, die Liebe, die Liebe — ein Buch, das Du uns empfehlen kannst, dass das Thema Deiner Meinung nach genau auf den Punkt bringt?
J.K.: „Älter als Jesus, oder Mein Leben als Frau“. Und jeder Gedichtband von Rumi.